Über Rentkammer, Rotwild und riesige Ländereien…

In meiner kleinen „Nachmittags-Tour“ an diesem Wochenende bin ich unterwegs auf den Begriff „Rentkammer“ gestoßen. Was es damit auf sich hat und was meine Tour mit riesigen Ländereien und Rotwild zu tun hat, das erfährst Du heute in diesem Beitrag…

Schild "Bitte Ruhe - Wittgenstein-Berleburg'sche Rentkammer"

Startpunkt: Bahnhof Aue-Wingeshausen

Aber erstmal von Anfang an… Ein sonniger Samstag, das Mittagessen gerade beendet und Lust ein wenig zu wandern. Ich entschließe mich heute mit dem Auto in das Wittgensteiner-Land zu fahren und es am Eisenbahn-Haltepunkt in Aue-Wingeshausen stehen zu lassen. Von dort habe ich bereits einmal eine Tour gestartet. Damals bin ich aber mit dem Zug dort hin gefahren. Den Beitrag zur damaligen Tour findest Du übrigens hier.

Heute lasse ich mich von dort einfach mal „der Nase nach“ treiben. Ich entscheide mich, erstmal grob in Richtung Norden zu gehen. Es geht die Teerstraße „Am Kapplerstein“ bergauf… Also eigentlich geht es im Sauer-, Sieger- und im Wittgensteiner-Land irgendwie immer bergauf, ganz egal in welche Richtung man geht 😉

Wanderwegweiser Aue und Wingeshausen

Zwischendurch brummt und flattert es überall…

Ziel gefunden: Es soll nach Bad Berleburg gehen!

Auf dem oberen Punkt des Bergs angekommen, kreuzen wieder einige Wege. Nach kurzem Überlegen steht mein Ziel für den heutigen Tag fest: Bad Berleburg. Die Entfernung passt gut für eine Halbtagestour und ich kann von dort bequem mit der Eisenbahn zurück zu meinem Startpunkt gelangen.

Von jetzt an orientiere ich mich am Wittgensteiner Panoramaweg, der mit einem großen „W“ markiert ist.

Wanderparkplatz Fehlbach am Wittgensteiner Panoramaweg

Am Wanderparkplatz Fehlbach vorbei…

Traktor beim Heuballenpressen auf einer großen gemähten Wiese mit Heuballen und Eiche im Vordergrund.

…geht es nun wieder hinab in den Wald. Schnell bemerkst Du dort das kühlere und feuchtere Waldinnenklima.

Wittgensteiner Panoramaweg. Es geht in den Wald hinab.

Das kommt mir so bekannt vor – „Paulsgrund“ – Hier war ich schon mal!

Nur wenig später komme ich an einer kaputten Bretterwand vorbei. Es fehlen einige Bretter… Halt, das kenne ich doch! Und die Bretterwand ist gar nicht kaputt! Das Fehlen von einzelnen Brettern in unterschiedlichen Höhen ist pure Absicht! Es handelt sich um eine Stelle, an der ich vor einigen Jahren mit meinem Sohn im Rahmen einer geführten Wanderung mit einem Ranger des Landesbetriebes „Wald und Holz NRW“ schon gewesen bin. Wir waren dort damals während der Brunftzeit des Rotwilds und konnten die „Hirschhochzeit“ sehen und hören. Die fehlenden Bretter sind „Sichtschlitze“ durch die wir hier am „Paulsgrund“ damals die Hirsche beobachtet haben.

Memo an mich selbst: Hier muss ich in der Brunftzeit (September/Oktober) nochmal hin. Ich werde Euch berichten. (Update 15.10.2021: Ich war da).

Der Sinn des Hinweises „Bitte Ruhe!“ ist mir ja sofort klar. Aber die Bezeichnung „Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer“ auf dem Schild zieht meine Aufmerksamkeit auf sich.

Was ist eine Rentkammer?

Die Bezeichnung hört sich irgendwie „alt“ und „adlig“ an. Dem Internet sei Dank gibt es auch schnell eine Auflösung dazu. Als Rentkammer wurden im später Mittelalter und in der frühen Neuzeit Behörden bezeichnet, die die Einkünfte des Landesherrn verwalteten.

Aha, und sowas gibt es hier in Wittgenstein noch?? Schnell wird bei einer weiteren Recherche klar, dass „mit Entstehen der modernen staatlichen Finanzverwaltung im 18. und 19. Jahrhundert und der Trennung des fürstlichen Privatvermögens vom Staatshaushalt die Rentkammern in manchen Staaten als Verwaltung des privaten Vermögens der landesherrlichen Familie weiter existierten.“

Die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer ist also im Prinzip die private Vermögensverwaltung der Fürstenfamilie zu Sayn-Wittgenstein. Die Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg verfügt seit Jahrhunderten über ausgeprägte Waldflächen. Mit ca. 13.000 ha Fläche (davon 12.154 ha Wald) ist der Betrieb der größte private Forstbetrieb in Nordrhein-Westfalen. Wenn man in Wittgenstein durch den Wald geht, ist die Wahrscheinlichkeit also ziemlich hoch, ein Waldstück im Besitz der Familie zu Sayn-Wittgenstein zu betreten.

Tipp: Visualisierung von Flächengrößen mit Google Earth

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich kann mir die Größe einer solchen Fläche (13.000 ha) schlecht vorstellen… Tipp: Wenn Du Dir die Größe eine solchen Fläche visualisieren möchtest, dann kannst Du Dir über Google Earth eine entsprechend große Fläche über einem Gebiet einzeichnen das Du gut kennst. Google Earth hat dazu mit dem „Lineal“-Tool eine schöne Möglichkeit. Hier mal exemplarisch diese Größe am Beispiel von Nürnberg:

Hier visualisiere ich die Fläche der Wittgenstein-Berleburg'schen Rentkammer mit Google Earth am örtlichen Beispiel von Nürnberg

Warum kannst Du das Rotwild an der Stelle „im Paulsgrund“ so gut beobachten?

Zum einen wird hier in dem Gebiet mit dem größten Rotwildvorkommen Deutschlands „konzentriert gejagt“. Also nicht das ganze Jahr über mittels Einzeljagden, sondern nur an wenigen Tagen und dann sehr umfassend als Gesellschaftsjagd. Durch diese jagdliche Fokussierung sind die Tiere insgesamt tagaktiver. Sie werden mutiger und kommen auf die Freiflächen zum Äsen, da ihnen die Nahrung auf der Wiese wesentlich besser schmeckt als Rinde von Bäumen.

Das Rotwild wird mittels großräumiger Zäunung im Revier gehalten. Auf den Wanderwegen findest Du daher beim Betreten des Gebietes entsprechende Tore vor, die Du nach dem Durchgang wieder schließen musst.

Tor auf dem Wittgensteiner Panoramaweg zum Rotwildgebiet (Verwaltet durch die Wittgenstein-Berleburg'sche Rentkammer)

Mit den periodischen Sperrungen von einzelnen Waldstücken wird darüber hinaus ein geschicktes Besucherleitsystem geschaffen. So gibt es immer entsprechende Rückzugsräume für die Tiere.

Offizielle Waldsperrung durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW.

Und weiter geht es für mich heute auf dem Wittgensteiner Panoramaweg in Richtung Bad Berleburg…

Der Waldkindergarten – Die Waldentdecker

Kurz vor Bad Berleburg komme ich noch an einem Waldkindergarten vorbei. Sehr cool. Eigentlich schade, dass ich das Kindergartenalter schon hinter mir gelassen habe. Das wäre auch was für mich… 😉

Letzte Pause mit Blick auf das Schloss Berleburg

Und eine letzte kleine Pause mit Fruchtgummis und einem Blick auf das Schloss Berleburg. Hier wohnt übrigens die Familie Sayn-Wittgenstein (Linie Sayn-Wittgenstein-Berleburg) seit über 600 Jahren. Kommt Dir der Name bekannt vor?

Und nach kurzem Abstieg, am Schloss vorbei, geht es zum Bahnhof und mit dem Zug wieder zurück zu meinem Auto…

Insgesamt mit circa 13 Kilometern eine rundum gelungene Halbtagestour!

Bleibt gesund und viel Freude draußen!

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